PRESSEMITTEILUNG: Appell der Berliner Kulturszene erfolgreich

Kultursenator Chialo setzt Antidiskriminierungsklausel aus und eröffnet Dialog über Maßnahmen gegen Diskriminierung im Kulturbetrieb.

Am Montag, dem 22. Januar 2024, verkündete Kultursenator Joe Chialo im Rahmen des Kulturausschusses, dass die zu Beginn des Jahres neu implementierte Antidiskriminierungsklausel vorerst ausgesetzt werde. In einer Pressemitteilung des Senats heißt es: „Aufgrund von juristischen Bedenken, dass die Antidiskriminierungs-
klausel in dieser Form nicht rechtssicher ist, wird diese ab sofort keine Anwendung in Zuwendungsbescheiden mehr finden.“

Ein breites Bündnis von Kunst- und Kulturverbänden sowie weitere Initiativen und Einzelpersonen hatten nach Bekanntgabe der Einführung der Klausel an Joe Chialo und die Kulturverwaltung appelliert, diese aufgrund von Rechtsunsicherheit, zweifelhafter Praktikabilität und der Gefahr weiterer Diskriminierung auszusetzen.

Wir deuten es als gutes Zeichen, dass die, von vielen Seiten vorgetragene Kritik Berücksichtigung fand. Wir begrüßen den Vorschlag des Kultursenators, im gemeinsamen Dialog Maßnahmen gegen die vielfältigen Formen von Diskriminierung zu entwickeln.

Wir, der Rat für die Künste, die Koalition der Freien Szene, der bbk berlin, der LAFT Berlin, inm berlin, festiwelt – Netzwerk Berliner Filmfestivals, ZMB, ZTB, IG Jazz Berlin, Pro Quote Bühne, die Berliner Literaturkonferenz, das Netzwerk freier Berliner Projekträume und -initiativen und die Kulturpolitische Gesellschaft Berlin-Brandenburg sind davon überzeugt, dass gerade Kunst Räume öffnen kann, um vor dem rechtlichen Hintergrund unserer Verfassung eine tiefgreifende Auseinandersetzung über Diskriminierung in unserem Land zu ermöglichen.

Aufbauend auf dem in den letzten Jahren gewonnen Wissen und der geleisteten Arbeit im Feld der Antidiskriminierung haben wir erste Vorschläge entwickelt. Wir freuen uns daher nun auf einen entsprechenden Diskurs, um gemeinsam mit Expert*innen und Verbänden zielführende Maßnahmen gegen Antisemitismus, Rassismus und alle Formen von Diskriminierung zu entwickeln und stehen für diesen Prozess weiterhin gerne zur Verfügung.

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Literaturstadt Berlin #4 – Wie frei ist die freie Literaturszene Berlins?

Kulturpolitische Diskussionsrunde

Berlin ist durch seine vielfältige kulturelle Off-Szene seit Jahrzehnten ein Magnet für Berliner*innen wie Besucher*innen aus aller Welt. Als eine der wichtigsten Literaturstädte Europas beherbergt Berlin rund 150 Verlage und besitzt große Anziehungskraft für internationale Autor*innen, Übersetzer*innen und Literaturfans.

Berlins freie Szene ist Entwicklungslabor künftiger Literaturen: Lesereihen und -bühnen, Literaturvereine, Literaturhäuser sowie zahlreiche, oft ehrenamtlich tätige Veranstalter*innen sorgen für ein weltweit einmaliges, intellektuell anregendes Klima, in dem sich der literarische Nachwuchs und neue Veranstaltungsformate entwickeln. Die freie Literaturszene Berlins ist vielsprachig, dynamisch und trifft auf ein neugieriges Publikum in offenen Räumen der Begegnung.

Doch die Stadt hat sich verändert. Kultur wird mehr und mehr allein im Zusammenhang mit profitabler Wirtschaft gedacht. Gentrifizierung und Preissteigerungen beenden bisherige Veranstaltungsmöglichkeiten, Räume für Kreativität verschwinden. Politik und Verwaltung haben mit ihrer Kulturförderung zwar für Erhaltung der knappen Ressourcen gesorgt, kulturpolitische Verwaltungsstrukturen und Förderinstrumente werden jedoch nicht an die Problemlagen der Gegenwart angepasst. Projekt- und Elitenförderung erreichen die freie Szene in der Breite nämlich mitnichten. Langjährig tätige Akteur*innen werden gezwungen, mit dem kommerziellen Berliner Eventmarkt zu konkurrieren. Die fruchtbare Vielfalt des Berliner Literaturlebens, mit dem die Politik der Stadt sich in Sonntagsreden so gerne schmückt, ist an seiner Basis bedroht.

Wie frei ist also die freie Literaturszene? fragen die Moderatorinnen Natascha Freundel und Anne-Dore Krohn (rbb Kultur) ihre Panelist*innen. Es diskutieren:

Robbin Juhnke (Kulturpolitischer Sprecher der CDU Berlin)
Wibke Behrens (SPD-Fachausschuss Kulturpolitik, Kulturpolitische Gesellschaft)
Delphine de Stoutz (Netzwerk freie Literaturszene Berlin)
Martin Jankowski (Berliner Literarische Aktion).

Ergänzt um Keynotes von Alexander Graeff (Sprecher der Berliner Literaturkonferenz, Brotfabrik Berlin) und Janina Benduski (Landesverband freie darstellende Künste Berlin).
Eintritt frei!

Die Veranstaltung findet open air im Garten der NOVILLA statt, bei schlechtem Wetter im Saal. Es gibt ein Imbiss- und Getränkeangebot. Einlass ist ab 17 Uhr.

Anfahrt: Die NOVILLA liegt direkt an der Spree, ca. 10 Minuten vom Ostkreuz und der S/U-Bahnhaltestelle Neukölln. Mit S9, S8, S85, S45, S46, S47 (bis Bahnhof Schöneweide, dann 8

Minuten laufen) oder mit dem Bus 165 bis Hasselwerder Straße, dann 3 Minuten laufen. Oder Straßenbahn 27, 63, 67 (bis Firlstraße, dann 3 Minuten zu Fuß). Oder mit dem Fahrrad die Spree entlang bis zur Kaisersteg-Brücke.

Eine Veranstaltung der Berliner Literaturkonferenz in Kooperation mit rbbKultur. Das Gespräch wird aufgezeichnet und auf rbbKultur gesendet. 

Literaturstadt Berlin #3 – Berliner Bibliotheken als Orte für Literaturveranstaltungen?

Kulturpolitische Diskussionsrunde mit Clara Herrmann, Ines Kappert, Regina Kittler und Danilo Vetter
Begrüßung: Janika Gelinek und Sonja Longolius, Statement der BLK: Annette Wostrak
Moderation: Natascha Freundel und Anne-Dore Krohn
Musikalisch begleitet von Ali Hasan und Musiker∙innen der arabischen Bibliothek Baynatna

Die Veranstaltung findet statt im Literaturhaus Berlin und wird bei rbbKultur am 21.2.2023 um 19:00 Uhr gesendet sowie als Livestream übertragen auf literaturkanal.tv.

Die Berliner Literaturkonferenz (BLK), in der die Literaturveranstalter·innen der Stadt – freie Literaturszene, institutionell geförderte Literaturhäuser, Häuser der freien Szene sowie Literaturfestivals – verbunden sind, lädt ein zum dritten Podiumsgespräch über die Literaturpolitik der Stadt. Welche Aufgaben übernehmen die öffentlichen Bibliotheken als Orte der literarischen Bildung und Literaturförderung? Wie kann Berlin die Bibliotheken in ihrer Rolle als Orte für Literaturveranstaltungen stärken? Welche Kooperationen mit Literaturhäusern und Literaturveranstalter·innen aus der freien Szene sind denkbar, um Berliner·innen jeden Alters ein dezentrales Literaturprogramm anzubieten?

Dazu diskutieren die rbbKultur-Redakteurinnen Natascha Freundel und Anne-Dore Krohn mit Clara Herrmann (Bezirksbürgermeisterin Kreuzberg-Friedrichshain, Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Ines Kappert (Leiterin Gunda-Werner-Institut), Regina Kittler (Sprecherin für Bildung und Kultur der Linksfraktion in der BVV Marzahn-Hellersdorf, Die Linke) und Danilo Vetter (Kommission der Berliner Bibliotheksleitungen im VÖBB).

Eine Veranstaltung der Berliner Literaturkonferenz in Kooperation mit rbbKultur. Das Gespräch wird aufgezeichnet und voraussichtlich Ende Februar auf rbbKultur gesendet. 

Stellungnahme der Berliner Literaturkonferenz (BLK) zu den Arbeitsverhältnissen beim internationalen literaturfestival berlin (ilb)

Das internationale literaturfestival berlin ist mit seiner künstlerischen Ausrichtung, der (politischen) Programmgestaltung, seiner Vielzahl an Einladungen international renommierter Autor*innen ein wichtiger und unverzichtbarer Akteur des literarischen Veranstaltungswesens in Berlin. Das ilb bietet in seiner Größenordnung Gästen aus aller Welt ein einmaliges Forum für den Austausch über Literatur.

Durch die Regelförderung über den Hauptstadtkulturfonds sind Bund und Land Berlin gemeinsam verantwortlich für die Produktionsbedingungen und den Umgang mit dem beim Festival beschäftigten Personal.

Der Vorwurf des Machtmissbrauchs durch den Leiter des internationalen Literaturfestivals gegenüber den dort Beschäftigten ist durch die Tagespresse öffentlich geworden.

Als Zusammenschluss von institutionell geförderten Literaturhäusern, freier Literaturszene, Häusern der freien Szene sowie Literaturfestivals fordert die Berliner Literaturkonferenz (BLK) die unverzügliche Aufklärung der Vorwürfe und die Transparentmachung der Arbeitsverhältnisse beim ilb, wozu vor allem die Transparenz der Trägerstruktur und die Auflösung der personellen Verknüpfung von Festivalleitung und Vorstand der Peter-Weiß-Stiftung e.V. gehören.

Die politischen Vertreter*innen von Bund und Land Berlin im Kuratorium des Hauptstadtkulturfonds sind aufgefordert, die Belange der beim ilb Beschäftigten ernst zu nehmen und die strukturelle Problemlage aufzuarbeiten. Dies beinhaltet, die Einhaltung des Arbeitsrechtes zu prüfen und die Einrichtung eines Beschwerde- und Konfliktmanagements mit dem Ziel der Schaffung eines gesunden Arbeitsklimas und einer zeitgemäßen Leitung nachdrücklich zu unterstützen.

Damit das internationale literaturfestival berlin zukünftig literarisch, politisch, sozial und kollegial verantwortlich ausgerichtet werden kann, müssen jetzt dringend Maßnahmen erfolgen. Missbrauch von Macht ist an keiner Stelle zu tolerieren.

Berlin, den 14.10.2022

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Literaturstadt Berlin #2 – Berlin/Brandenburg 

Kulturpolitische Diskussionsrunde

Die Berliner Literaturkonferenz (BLK), in der die Literaturveranstalter·innen der Stadt – freie Literaturszene, institutionell geförderte Literaturhäuser, Häuser der freien Szene sowie Literaturfestivals – verbunden sind, lädt ein zum zweiten Podiumsgespräch über die Literaturpolitik der Stadt.

Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es in der Literaturförderung in Berlin und Brandenburg? Dominiert die Konkurrenz zwischen Stadt und Land, Provinz und Metropole, oder profitiert die Kulturszene von einer Synergie der Fördermodule? Wie mobilisieren wir das Publikum an neue Orte? Wie stärken wir dezentrale Angebote? Sollen nur Landeskinder von den eigenen Förderinstrumenten profitieren oder ist ein überregionaler, globaler Ansatz hier für alle Gewinn bringend?

Dazu diskutieren rbbKultur-Redakteurinnen Natascha Freundel und Anne-Dore Krohn mit Dr. Robbin Juhnke (Kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus), Odile Kennel (Autorin und Übersetzerin), Prof. Dr. Ulrike Liedtke (Präsidentin des Brandenburger Landtags, SPD) und Hendrik Röder (Brandenburgisches Literaturbüro). Vorab treffen sich Berliner und Brandenburger Literaturveranstalter·innen und Literaturakteur·innen im LCB. In Kooperation mit dem rbbKultur, dem Brandenburgischen Literaturrat und der Berliner Literaturkonferenz.

Statement der BLK zur Literaturförderung in Berlin und Brandenburg

Das Statement wurde im Rahmen der Veranstaltung „Literaturstadt Berlin #2 – Berlin/Brandenburg“ am 16. Mai 2022 im Literarischen Colloquium Berlin von BLK-Sprecher Alexander Graeff vorgetragen.

Liebes Publikum,
sehr geehrte Frau Liedtke,
sehr geehrter Herr Juhnke
liebe Kolleg*innen,

es ist durchaus keine Selbstverständlichkeit, dass freie Veranstalter*innen mit institutionell geförderten Kultureinrichtungen zusammenarbeiten. Immer noch höre ich aus anderen Städten vom Konkurrenzkampf zwischen diesen beiden kulturpolitischen Akteur*innen.

Da sind wir in Berlin weiter. Freie Veranstalter*innen und institutionell geförderte Literaturhäuser haben seit geraumer Zeit das Kooperationsparadigma für sich entdeckt. Es besteht in der Erkenntnis, dass wir ja alle Literatur an ein Publikum vermitteln und uns für ähnliche kulturpolitische Ziele engagieren.

Die finanzielle Unterstützung des Landes Berlin für die Literaturszene ist nämlich, gemessen an der Vielfalt und am Potential der Sparte – trotz einiger Aufwüchse in den letzten Jahren –, immer noch viel zu gering. Das betrifft literarische Institutionen ebenso wie die freie Szene.

Das hat die BLK, die Berliner Literaturkonferenz, 2015 erkannt und einen Zusammenschluss aus geförderten Institutionen sowie Akteur*innen und Häusern der freien Szene gebildet, um die Interessen der Berliner Literaturszene gegenüber Politik und Öffentlichkeit besser vertreten zu können.

Wir setzen uns seither gemeinsam für zeitgemäße und an unsere Bedürfnisse angepasste Förderstrukturen ein.

Das bedeutet mitunter, auf bestehende Mentalitätsstrukturen reagieren zu müssen. Denn auch im Jahr 2022 kursieren noch zahlreiche Mythen über Literatur, Literaturbetrieb und Verlagswesen.

Eine dieser Mythen besteht in der Vorstellung, die ästhetische Erfahrung von Literatur sei bloß während der Lektüre eines Buches möglich. Unlängst haben jedoch Veranstalter*innen begonnen, den Literaturbegriff zu erweitern, weil er so den Anforderungen und Wünschen des Publikums und den Produktionsbedingungen von Literatur vielmehr entspricht.

Insbesondere die Gegenwartsliteratur leistet dabei einen wichtigen Beitrag für vielfältige Identifikation, Perspektivenwechsel und Ambiguitätstoleranz, die in offenen und pluralen Gesellschaften so entscheidend sind. Für die gestiegene Vielfalt an literarischen Stimmen und performativen Präsentationsformen sind Literaturveranstaltungen als soziale Begegnungsräume von zentraler Bedeutung geworden.

Literatur ist soziale Praxis.

Sie ist darüber hinaus keine autonome Praxis. Oft ist sie verbunden mit anderen Künsten – Illustration, Musik, Performance. Auch lässt sie sich nicht von ihrer politischen, soziologischen und bildungsästhetischen Funktion lösen.  Diese Interdependenzen zu vermitteln, ist gleichfalls eine wichtige Aufgabe der BLK.

*

Die literarischen Szenen in Brandenburg und Berlin haben mit sehr unterschiedlichen Ausgangs- und Arbeitsbedingungen zu tun. Das betrifft die landesbezogenen Förderstrukturen ebenso wie die geografischen Bedingungen. Wenn wir im Sinne eines kooperativen Paradigmas arbeiten wollen, sollten aber auch diese Strukturen keine Grenzen darstellen. So unser Wunsch.

Was braucht es für die Realisierung? Vor allem zusätzliche finanzielle Ressourcen, um Austauschprojekte auch umsetzen zu können. Dafür brauchen wir die Unterstützung von Kulturpolitik und Verwaltung – in Berlin und Brandenburg. Ohne Sie, verehrte Politiker*innen, geht es nicht! Auch das meint Interdependenz.

Wir versprechen uns von diesem heutigen Zusammentreffen gegenseitige und vielfältige Inspiration. Ein Thema zum Beispiel, das mich als Berliner Veranstalter interessiert, wäre die Publikumsbindung. Angesichts eines wachsenden Veranstaltungsmarktes in Berlin geht es längst darum, auch das Publikum mit weitem Anreiseweg für die Programme begeistern zu können – und nicht nur auf das Kiezpublikum zu setzen. Wie das geht, können wir Berliner*innen vielleicht  von den Kolleg*innen aus Brandenburg lernen?

Mein Name ist Alexander Graeff, ich verantworte das Literaturprogramm in der Brotfabrik und bin mit meiner Kollegin Annette Wostrak von LesArt zusammen Sprecher*in der BLK.

Im Namen aller Mitglieder der BLK wünschen wir Ihnen eine inspirierende Podiumsdiskussion und einen angenehmen Abend.

BLK-Sprecherin Annette Wostrak zu Gast bei rbb Kultur

Mehr Unterstützung für die Literatur in Corona-Zeiten: Berlin ist eine der wichtigsten Literaturstädte Europas und besitzt große Anziehungskraft für Autorinnen und Autoren, Verlage und andere Akteure der Literatur. Und die Interessen dieser starken Literaturszene zu unterstützen, ist erklärtes Ziel der Berliner Literaturkonferenz. Denn genug Unterstützung für die Literatur aus der Politik gibt es nach Ansicht der Berliner Literaturkonferenz im Vergleich zu anderen Kultursparten nicht. Gerade auch in Corona-Zeiten. Darüber sprach rbb Kultur mit Annette Wostrak, Sprecherin der Berliner Literaturkonferenz und Geschäftsführerein beim Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur, LesArt.

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Literaturstadt Berlin #1

Kulturpolitische Diskussionsrunde

Die Berliner Literaturkonferenz (BLK), in der die Literaturveranstalter·innen der Stadt – freie Literaturszene, institutionell geförderte Literaturhäuser, Häuser der freien Szene sowie Literaturfestivals – verbunden sind, lädt zu einem Podiumsgespräch über die Literaturpolitik der Stadt. Welche Perspektiven hat die Literaturstadt Berlin, welcher Rahmenbedingungen bedarf es, um sie weiterzuentwickeln und die vielgestaltige Szene zu stärken? Und welche gestalterische Rolle kann Literatur als kulturelles wie soziales Ereignis in der Stadtgesellschaft einnehmen? Darüber diskutieren Paula Fürstenberg, Autorin und aktives Mitglied der freien Szene, Daniel Wesener, kulturpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Abgeordnetenhaus, Klaus Lederer, Kultursenator und Spitzenkandidat der Partei Die Linke, und Annette Wostrak, Leiterin von LesArt und Sprecherin der BLK (gemeinsam mit Alexander Graeff).

Die Diskussion wird von den rbb-Redakteurinnen Anne-Dore Krohn und Natascha Freundel moderiert und am 4. Oktober 2021 ab 19 Uhr auf rbbKultur gesendet.

Im Anschluss an die Diskussion tritt das arabisch-deutsche Literaturkollektiv WIESE, u. a. mit Galal Alahmadi, Marwa Younes Almokbel und Christian Filips, auf. Die Leseperformance »Der unsichtbare Prozess« thematisiert den Koblenzer Al-Khatib-Prozess sowie die unterschiedlichen sprachlichen Aushandlungs- und Übersetzungsprozesse, die dabei fast unbemerkt ablaufen. Die Performance wird gefördert durch den Projektfonds des Deutschen Übersetzerfonds im Rahmen des Programms NEUSTART KULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Die Veranstaltung ist Auftakt einer kulturpolitischen Reihe, die sich in unterschiedlichen Konstellationen fortsetzen wird.

Literatur live in und für Berlin – gerade in der Corona-Krise

Literatur – ist Bestandteil kultureller Bildung; sie kann Gedanken auf neue Wege lenken, Perspektiven erweitern, für Sprache sensibilisieren und innovative Antworten auf zentrale politische, ethische und gesellschaftliche Fragen geben.

Literatur – stellt Bestehendes in Frage und bietet vielfältige Sichtweisen auf die Welt, auf unsere Gesellschaft.

Literatur – entführt in fantastische und utopische Welten, wenn wir mal eine Pause von Infektionszahlen, R-Werten und undifferenzierten Hygieneverordnungen brauchen.

Die Mitglieder der Berliner Literaturkonferenz drängen auf einen differenzierten Blick, welche Lockdown-Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie wirklich notwendig und zielführend sind.

Literatur ist soziale Praxis und braucht Räume für die lebendige Diskussion und die Begegnung zwischen Autor:innen und Publikum. Die künstlerischen Kommunikationskonzepte sind (neben ausgefeilten Hygienekonzepten) von allen Veranstalter:innen in den institutionell geförderten Häusern wie auch in der freien Literaturszene in den vergangenen Monaten rasant ausgebaut worden. Hier geht es nicht um Konsum oder Freizeitvergnügen, sondern um kulturelle Bildung, um eine Auseinandersetzung mit Gesellschaft, mit Verantwortung, mit eigener Positionierung – angeregt durch literarische Texte, durch Poesie, durch Fantasie, durch Sprachkunst.

Beim Blick auf andere Bereiche der Gesellschaft muten die aktuellen Verordnungen zum zweiten Shutdown zudem ungerecht gegenüber dem Kulturbereich an. Während Berlins Literaturveranstalter:innen den Sommer dazu nutzten, um tragfähige und achtsame Konzepte für Präsenzveranstaltungen zu entwickeln und diese mit Erfolg bis zum 28.10. zu realisieren, stauen sich dieser Tage die Menschenmassen in Supermärkten, öffentlichen Verkehrsmitteln und Konsumtempeln.

Jetzt ist die Zeit für verbindliche kulturpolitische Zusagen, damit die Literaturveranstalter:innen im kommenden Jahr ein angemessenes Programm gestalten können.

Literatur braucht Technik

Die Literaturszene will keinen dauerhaften Notbetrieb einrichten, sondern sich qualitätsvoll der Verantwortung zur Digitalisierung stellen. Die dafür erforderlichen Strukturen müssen deshalb personell wie technisch bei den Literaturveranstalter:innen abgesichert und ausgebaut werden. Präsenzveranstaltungen dürfen durch digitale Formate nicht ersetzt werden! Hybridformate können eine sinnvolle Ergänzung des Präsenzbetriebes sein – nicht nur in der Krise.

Ziel ist eine Doppelstrategie, in der dem Publikum die Begegnung mit Literatur analog wie digital möglichst barrierefrei garantiert werden kann. Das Innovationspotential, das der Kunstsparte Literatur zu Grunde liegt, ist hilfreich, um neue Modelle zu entwickeln und Impulse für gesellschaftliches Umdenken hin zu solidarischem Handeln anzustoßen.

Literatur braucht mehr Fördermittel

Für eine Erhöhung der Literaturförderung liegen seit langer Zeit valide Argumente vor: Die Literaturszene in Berlin wächst, das Publikum wächst, Nachwuchs muss ausgebildet werden, das Programm entsprechend der wachsenden Diversität der Stadt erweitert werden, die Qualität auch in digitalen Veranstaltungsformaten erhalten bleiben. Das alles kostet Geld!

Längst überfällig ist die Einführung einer Basisförderung im Bereich der freien Literaturszene. Zudem brauchen alle Veranstalter:innen die Möglichkeit zur Übertragung nicht verausgabter Projektmittel in das nächste Haushaltsjahr. Ein wichtiger Schritt wäre die Entbürokratisierung der Verwendung von Fördergeldern. Die immer noch übliche Praxis der Projektförderung entspricht einem nachhaltigen Kulturmanagement nicht mehr, sondern zielt allein auf Eventmanagement. Soll Kultur aber von Kontinuität und Qualität auch literarischer Angebote geprägt sein, braucht es langfristige Finanzierungsmöglichkeiten und der Zeit angepasste Förderinstrumente.

Damit die institutionell geförderten Literaturhäuser (auch als verbindlicher Partner für die freie Literaturszene) zeitgemäß agieren können, bedarf es einer Etaterhöhung. 
Professionelles Programm, die Sicherung von gut ausgebildetem Personal und eine qualitätsgarantierende technische Ausstattung ist wertvoll und hat ihren Preis. Eine Stadt, mit einem Kulturanspruch wie Berlin, sollte bereitsein, sich dies zu leisten!

Neue Sprecher:innen der Berliner Literaturkonferenz

Die Berliner Literaturkonferenz, der Zusammenschluss von Literaturveranstalter:innen in Berlin, hat Alexander Graeff (Brotfabrik Berlin) und Annette Wostrak (LesArt, Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur) zu ihren neuen Sprecher:innen gewählt.

In enger Zusammenarbeit von freier Literaturszene, institutionell geförderten Literaturhäusern, Häusern der freien Szene sowie Literaturfestivals setzt sich das Bündnis für eine Stärkung der Literaturszene in Berlin ein. Nach wie vor liegt die Förderung für Literatur mit nur 5,8 Mio. Euro (0,96 % des Kulturhaushalts) weit hinter den anderen Künsten zurück. Hier gilt es kulturpolitisch bessere Rahmenbedingungen zu verhandeln, um die Pluralität der literarischen Veranstaltungen einem breiten Publikum zugänglich machen zu können. Die Diversität in der Literaturlandschaft Berlins bietet Erwachsenen wie Kindern ein einmaliges Angebot, um sich auf vielfältige Weise mit Sprachkunst zu befassen, sich mit Sprache(n) zu beschäftigen, Erzähltes in Texten und Bildern zu entdecken, und in der Auseinandersetzung mit diesen, Fragen an sich selbst und an gesellschaftliche Prozesse zu stellen.

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