Literaturstadt Berlin #2 – Berlin/Brandenburg 

Kulturpolitische Diskussionsrunde

Die Berliner Literaturkonferenz (BLK), in der die Literaturveranstalter·innen der Stadt – freie Literaturszene, institutionell geförderte Literaturhäuser, Häuser der freien Szene sowie Literaturfestivals – verbunden sind, lädt ein zum zweiten Podiumsgespräch über die Literaturpolitik der Stadt.

Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es in der Literaturförderung in Berlin und Brandenburg? Dominiert die Konkurrenz zwischen Stadt und Land, Provinz und Metropole, oder profitiert die Kulturszene von einer Synergie der Fördermodule? Wie mobilisieren wir das Publikum an neue Orte? Wie stärken wir dezentrale Angebote? Sollen nur Landeskinder von den eigenen Förderinstrumenten profitieren oder ist ein überregionaler, globaler Ansatz hier für alle Gewinn bringend?

Dazu diskutieren rbbKultur-Redakteurinnen Natascha Freundel und Anne-Dore Krohn mit Dr. Robbin Juhnke (Kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus), Odile Kennel (Autorin und Übersetzerin), Prof. Dr. Ulrike Liedtke (Präsidentin des Brandenburger Landtags, SPD) und Hendrik Röder (Brandenburgisches Literaturbüro). Vorab treffen sich Berliner und Brandenburger Literaturveranstalter·innen und Literaturakteur·innen im LCB. In Kooperation mit dem rbbKultur, dem Brandenburgischen Literaturrat und der Berliner Literaturkonferenz.

Statement der BLK zur Literaturförderung in Berlin und Brandenburg

Das Statement wurde im Rahmen der Veranstaltung „Literaturstadt Berlin #2 – Berlin/Brandenburg“ am 16. Mai 2022 im Literarischen Colloquium Berlin von BLK-Sprecher Alexander Graeff vorgetragen.

Liebes Publikum,
sehr geehrte Frau Liedtke,
sehr geehrter Herr Juhnke
liebe Kolleg*innen,

es ist durchaus keine Selbstverständlichkeit, dass freie Veranstalter*innen mit institutionell geförderten Kultureinrichtungen zusammenarbeiten. Immer noch höre ich aus anderen Städten vom Konkurrenzkampf zwischen diesen beiden kulturpolitischen Akteur*innen.

Da sind wir in Berlin weiter. Freie Veranstalter*innen und institutionell geförderte Literaturhäuser haben seit geraumer Zeit das Kooperationsparadigma für sich entdeckt. Es besteht in der Erkenntnis, dass wir ja alle Literatur an ein Publikum vermitteln und uns für ähnliche kulturpolitische Ziele engagieren.

Die finanzielle Unterstützung des Landes Berlin für die Literaturszene ist nämlich, gemessen an der Vielfalt und am Potential der Sparte – trotz einiger Aufwüchse in den letzten Jahren –, immer noch viel zu gering. Das betrifft literarische Institutionen ebenso wie die freie Szene.

Das hat die BLK, die Berliner Literaturkonferenz, 2015 erkannt und einen Zusammenschluss aus geförderten Institutionen sowie Akteur*innen und Häusern der freien Szene gebildet, um die Interessen der Berliner Literaturszene gegenüber Politik und Öffentlichkeit besser vertreten zu können.

Wir setzen uns seither gemeinsam für zeitgemäße und an unsere Bedürfnisse angepasste Förderstrukturen ein.

Das bedeutet mitunter, auf bestehende Mentalitätsstrukturen reagieren zu müssen. Denn auch im Jahr 2022 kursieren noch zahlreiche Mythen über Literatur, Literaturbetrieb und Verlagswesen.

Eine dieser Mythen besteht in der Vorstellung, die ästhetische Erfahrung von Literatur sei bloß während der Lektüre eines Buches möglich. Unlängst haben jedoch Veranstalter*innen begonnen, den Literaturbegriff zu erweitern, weil er so den Anforderungen und Wünschen des Publikums und den Produktionsbedingungen von Literatur vielmehr entspricht.

Insbesondere die Gegenwartsliteratur leistet dabei einen wichtigen Beitrag für vielfältige Identifikation, Perspektivenwechsel und Ambiguitätstoleranz, die in offenen und pluralen Gesellschaften so entscheidend sind. Für die gestiegene Vielfalt an literarischen Stimmen und performativen Präsentationsformen sind Literaturveranstaltungen als soziale Begegnungsräume von zentraler Bedeutung geworden.

Literatur ist soziale Praxis.

Sie ist darüber hinaus keine autonome Praxis. Oft ist sie verbunden mit anderen Künsten – Illustration, Musik, Performance. Auch lässt sie sich nicht von ihrer politischen, soziologischen und bildungsästhetischen Funktion lösen.  Diese Interdependenzen zu vermitteln, ist gleichfalls eine wichtige Aufgabe der BLK.

*

Die literarischen Szenen in Brandenburg und Berlin haben mit sehr unterschiedlichen Ausgangs- und Arbeitsbedingungen zu tun. Das betrifft die landesbezogenen Förderstrukturen ebenso wie die geografischen Bedingungen. Wenn wir im Sinne eines kooperativen Paradigmas arbeiten wollen, sollten aber auch diese Strukturen keine Grenzen darstellen. So unser Wunsch.

Was braucht es für die Realisierung? Vor allem zusätzliche finanzielle Ressourcen, um Austauschprojekte auch umsetzen zu können. Dafür brauchen wir die Unterstützung von Kulturpolitik und Verwaltung – in Berlin und Brandenburg. Ohne Sie, verehrte Politiker*innen, geht es nicht! Auch das meint Interdependenz.

Wir versprechen uns von diesem heutigen Zusammentreffen gegenseitige und vielfältige Inspiration. Ein Thema zum Beispiel, das mich als Berliner Veranstalter interessiert, wäre die Publikumsbindung. Angesichts eines wachsenden Veranstaltungsmarktes in Berlin geht es längst darum, auch das Publikum mit weitem Anreiseweg für die Programme begeistern zu können – und nicht nur auf das Kiezpublikum zu setzen. Wie das geht, können wir Berliner*innen vielleicht  von den Kolleg*innen aus Brandenburg lernen?

Mein Name ist Alexander Graeff, ich verantworte das Literaturprogramm in der Brotfabrik und bin mit meiner Kollegin Annette Wostrak von LesArt zusammen Sprecher*in der BLK.

Im Namen aller Mitglieder der BLK wünschen wir Ihnen eine inspirierende Podiumsdiskussion und einen angenehmen Abend.

BLK-Sprecherin Annette Wostrak zu Gast bei rbb Kultur

Mehr Unterstützung für die Literatur in Corona-Zeiten: Berlin ist eine der wichtigsten Literaturstädte Europas und besitzt große Anziehungskraft für Autorinnen und Autoren, Verlage und andere Akteure der Literatur. Und die Interessen dieser starken Literaturszene zu unterstützen, ist erklärtes Ziel der Berliner Literaturkonferenz. Denn genug Unterstützung für die Literatur aus der Politik gibt es nach Ansicht der Berliner Literaturkonferenz im Vergleich zu anderen Kultursparten nicht. Gerade auch in Corona-Zeiten. Darüber sprach rbb Kultur mit Annette Wostrak, Sprecherin der Berliner Literaturkonferenz und Geschäftsführerein beim Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur, LesArt.

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Literaturstadt Berlin #1

Kulturpolitische Diskussionsrunde

Die Berliner Literaturkonferenz (BLK), in der die Literaturveranstalter·innen der Stadt – freie Literaturszene, institutionell geförderte Literaturhäuser, Häuser der freien Szene sowie Literaturfestivals – verbunden sind, lädt zu einem Podiumsgespräch über die Literaturpolitik der Stadt. Welche Perspektiven hat die Literaturstadt Berlin, welcher Rahmenbedingungen bedarf es, um sie weiterzuentwickeln und die vielgestaltige Szene zu stärken? Und welche gestalterische Rolle kann Literatur als kulturelles wie soziales Ereignis in der Stadtgesellschaft einnehmen? Darüber diskutieren Paula Fürstenberg, Autorin und aktives Mitglied der freien Szene, Daniel Wesener, kulturpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Abgeordnetenhaus, Klaus Lederer, Kultursenator und Spitzenkandidat der Partei Die Linke, und Annette Wostrak, Leiterin von LesArt und Sprecherin der BLK (gemeinsam mit Alexander Graeff).

Die Diskussion wird von den rbb-Redakteurinnen Anne-Dore Krohn und Natascha Freundel moderiert und am 4. Oktober 2021 ab 19 Uhr auf rbbKultur gesendet.

Im Anschluss an die Diskussion tritt das arabisch-deutsche Literaturkollektiv WIESE, u. a. mit Galal Alahmadi, Marwa Younes Almokbel und Christian Filips, auf. Die Leseperformance »Der unsichtbare Prozess« thematisiert den Koblenzer Al-Khatib-Prozess sowie die unterschiedlichen sprachlichen Aushandlungs- und Übersetzungsprozesse, die dabei fast unbemerkt ablaufen. Die Performance wird gefördert durch den Projektfonds des Deutschen Übersetzerfonds im Rahmen des Programms NEUSTART KULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Die Veranstaltung ist Auftakt einer kulturpolitischen Reihe, die sich in unterschiedlichen Konstellationen fortsetzen wird.

Literatur live in und für Berlin – gerade in der Corona-Krise

Literatur – ist Bestandteil kultureller Bildung; sie kann Gedanken auf neue Wege lenken, Perspektiven erweitern, für Sprache sensibilisieren und innovative Antworten auf zentrale politische, ethische und gesellschaftliche Fragen geben.

Literatur – stellt Bestehendes in Frage und bietet vielfältige Sichtweisen auf die Welt, auf unsere Gesellschaft.

Literatur – entführt in fantastische und utopische Welten, wenn wir mal eine Pause von Infektionszahlen, R-Werten und undifferenzierten Hygieneverordnungen brauchen.

Die Mitglieder der Berliner Literaturkonferenz drängen auf einen differenzierten Blick, welche Lockdown-Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie wirklich notwendig und zielführend sind.

Literatur ist soziale Praxis und braucht Räume für die lebendige Diskussion und die Begegnung zwischen Autor:innen und Publikum. Die künstlerischen Kommunikationskonzepte sind (neben ausgefeilten Hygienekonzepten) von allen Veranstalter:innen in den institutionell geförderten Häusern wie auch in der freien Literaturszene in den vergangenen Monaten rasant ausgebaut worden. Hier geht es nicht um Konsum oder Freizeitvergnügen, sondern um kulturelle Bildung, um eine Auseinandersetzung mit Gesellschaft, mit Verantwortung, mit eigener Positionierung – angeregt durch literarische Texte, durch Poesie, durch Fantasie, durch Sprachkunst.

Beim Blick auf andere Bereiche der Gesellschaft muten die aktuellen Verordnungen zum zweiten Shutdown zudem ungerecht gegenüber dem Kulturbereich an. Während Berlins Literaturveranstalter:innen den Sommer dazu nutzten, um tragfähige und achtsame Konzepte für Präsenzveranstaltungen zu entwickeln und diese mit Erfolg bis zum 28.10. zu realisieren, stauen sich dieser Tage die Menschenmassen in Supermärkten, öffentlichen Verkehrsmitteln und Konsumtempeln.

Jetzt ist die Zeit für verbindliche kulturpolitische Zusagen, damit die Literaturveranstalter:innen im kommenden Jahr ein angemessenes Programm gestalten können.

Literatur braucht Technik

Die Literaturszene will keinen dauerhaften Notbetrieb einrichten, sondern sich qualitätsvoll der Verantwortung zur Digitalisierung stellen. Die dafür erforderlichen Strukturen müssen deshalb personell wie technisch bei den Literaturveranstalter:innen abgesichert und ausgebaut werden. Präsenzveranstaltungen dürfen durch digitale Formate nicht ersetzt werden! Hybridformate können eine sinnvolle Ergänzung des Präsenzbetriebes sein – nicht nur in der Krise.

Ziel ist eine Doppelstrategie, in der dem Publikum die Begegnung mit Literatur analog wie digital möglichst barrierefrei garantiert werden kann. Das Innovationspotential, das der Kunstsparte Literatur zu Grunde liegt, ist hilfreich, um neue Modelle zu entwickeln und Impulse für gesellschaftliches Umdenken hin zu solidarischem Handeln anzustoßen.

Literatur braucht mehr Fördermittel

Für eine Erhöhung der Literaturförderung liegen seit langer Zeit valide Argumente vor: Die Literaturszene in Berlin wächst, das Publikum wächst, Nachwuchs muss ausgebildet werden, das Programm entsprechend der wachsenden Diversität der Stadt erweitert werden, die Qualität auch in digitalen Veranstaltungsformaten erhalten bleiben. Das alles kostet Geld!

Längst überfällig ist die Einführung einer Basisförderung im Bereich der freien Literaturszene. Zudem brauchen alle Veranstalter:innen die Möglichkeit zur Übertragung nicht verausgabter Projektmittel in das nächste Haushaltsjahr. Ein wichtiger Schritt wäre die Entbürokratisierung der Verwendung von Fördergeldern. Die immer noch übliche Praxis der Projektförderung entspricht einem nachhaltigen Kulturmanagement nicht mehr, sondern zielt allein auf Eventmanagement. Soll Kultur aber von Kontinuität und Qualität auch literarischer Angebote geprägt sein, braucht es langfristige Finanzierungsmöglichkeiten und der Zeit angepasste Förderinstrumente.

Damit die institutionell geförderten Literaturhäuser (auch als verbindlicher Partner für die freie Literaturszene) zeitgemäß agieren können, bedarf es einer Etaterhöhung. 
Professionelles Programm, die Sicherung von gut ausgebildetem Personal und eine qualitätsgarantierende technische Ausstattung ist wertvoll und hat ihren Preis. Eine Stadt, mit einem Kulturanspruch wie Berlin, sollte bereitsein, sich dies zu leisten!

Neue Sprecher:innen der Berliner Literaturkonferenz

Die Berliner Literaturkonferenz, der Zusammenschluss von Literaturveranstalter:innen in Berlin, hat Alexander Graeff (Brotfabrik Berlin) und Annette Wostrak (LesArt, Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur) zu ihren neuen Sprecher:innen gewählt.

In enger Zusammenarbeit von freier Literaturszene, institutionell geförderten Literaturhäusern, Häusern der freien Szene sowie Literaturfestivals setzt sich das Bündnis für eine Stärkung der Literaturszene in Berlin ein. Nach wie vor liegt die Förderung für Literatur mit nur 5,8 Mio. Euro (0,96 % des Kulturhaushalts) weit hinter den anderen Künsten zurück. Hier gilt es kulturpolitisch bessere Rahmenbedingungen zu verhandeln, um die Pluralität der literarischen Veranstaltungen einem breiten Publikum zugänglich machen zu können. Die Diversität in der Literaturlandschaft Berlins bietet Erwachsenen wie Kindern ein einmaliges Angebot, um sich auf vielfältige Weise mit Sprachkunst zu befassen, sich mit Sprache(n) zu beschäftigen, Erzähltes in Texten und Bildern zu entdecken, und in der Auseinandersetzung mit diesen, Fragen an sich selbst und an gesellschaftliche Prozesse zu stellen.

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